Das Sonntag-Mittagessen. In der Rock’n’Roll-Phase meines Lebens eine völlig unterschätzte, wenn nicht sogar mit Verachtung (weil zu spießig) bedachte Institution. Inzwischen habe ich den Mittags-Club gegründet, denn mein Versorger-Gen steht seit dem Auszug des Fortpflanzes unbenützt in der Garage und braucht eine Spielwiese. Jetzt müssen meine Freunde dran glauben. Das Kind würde jetzt einwerfen: „ Dream on, Muttertier!Wo war ich da ungefähr, als du von solchen Bekoch-Ambitionen geritten wurdest?” Und ich würde ihr antworten: „Alles ist doch prinzipiell viel schöner, wenn es kein Pflicht-, sondern ein Freigegenstand ist.” Das Tolle an diesen Sonntagmittagen ist, dass man gleitet, statt hetzt – manchmal bis in den „Tatort”, aber auch schon drüber. Die Gespräche flitzen, die Eiswürfel krachen im Rosé, die Küche gleicht einem siegreichen Schlachtfeld Napoleons. Wenn man den Braten aus dem Ofen zerrt, jammert man natürlich entsprechend, dass er diesmal wirklich nicht so gelungen istwie sonst, und erwartet natürlich enthusiastischen Widerspruch, der meist auch verlässlich eintrifft. Und sonst alles gemäß Harald Juhnkes Vorstellung von Glück: „Leicht angeschickert und keine Termine.“ Dass meine Mutter mich als Teenager im Rang niederer Dienstbarkeit, also als Aupair-Mädchen, nach Frankreich und Italien verschifft hatte, legte den Grundstein für meine Liebe zu solchen Essmarathons. Ich war begeistert, wie vor allem die Franzosen solche Mahlzeiten wie ein Hochamt zelebrierten. Balzac, der sich sogar als Häftling hochklassige Gelage ins Gefängnis catern ließ, erzählt davon in seinen Romanen. Mensche, die sich noch andere Verpflichtungen aufgebürdet haben, werden die Schönheit des sich Gehenlassens und sanften Hinüberrutschens in den Sonntagabend nicht so richtig auskosten können. Denn wie mein Freund Ghobi, ein junger Weiser aus Kerala, einmal sagte: „Pliiise, take your time, otherwise it will take you! Got it?”