Im Rahmen der Otto-Schenk-Festspiele eine TV-Doku gesehen, die mich anrührte. Auch weil der Schenk das Meisterwerk aller Publikumslieblinge darstellt. Der Publikumsliebling, eine im Aussterben begriffene Species, ist ja sowas wie nationales Eigen- und Heiligtum. Jeder Taxler, jede Wurstverkäuferin, jeder Vorstadt-Strizzi liebt diese Publikumslieblinge, als ob sie Verwandte wären, die man eigentlich viel zu selten sieht. Viele kennen sie gar nicht von Theaterbesuchen, sondern nur „von Feeernseh’n”. In einem Land, in dem das Gros der Bevölkerung bereits beim Berufsantritt von Frühpensionierung träumt und sich sukzessive der eigenen Bequemlichkeit ergibt, ist auch Schenks nonchalante Unermüdlichkeit etwas, wovor man die Haken stramm schlägt. Ein Tränenbeschleuniger war jene Passage, in der er vor seiner Frau hinkniete: „Sie ist ja kein Schenk-Fan, denn eine adorierende Funsen hätte ich nicht ausgehalten. Man braucht jemanden, der einen durchschaut.” In einer narzisstisch verseuchten Gesellschaft, in der die Abhängigkeit von Claqueuren Sucht-Dimensionen besitzt, ein Hoffnungsschimmer, vielleicht auch ein schön gelogener. Schnell waren meine Augen wieder getrocknet, als die Stimme aus dem Off sagte, dass die Nicht-Fan-Dame ihr eigenes Berufsleben zugunsten der allumfassenden Organisation des Publikumslieblings früh an den Nagel gehängt hatte. „In einer Beziehung kann immer nur einer König oder Königin sein,” seufzte E , die wegen Coronistan-bedingten Beziehungsüberdrusses für ein paar Tage zu mir gezogen war, „zwei Alpha-Tiere erschlagen sich. Und vielleicht wären wir alle ein bisschen glücklicher, wenn wir nicht ständig zu viel wollen.” Verdammt, hätte sie mir früher sagen sollen. Und hätte ich mir doch nie den Che-Guevara-Spruch „Bleiben wir realistisch und verlangen wir das Unmögliche” ins Teenager-Zimmer gehängt. Das war der Anfang allen Übels.