Als am Hietzinger Friedhof Partystimmung herrschte.
Alles Gute zum Hunderter, Omschi“, flüsterte ich und die weißen Rosen wurden nass. Ich hatte sie drei Mal zuvor in der Vase umarrangiert, sie hatte es immer gern sehr ordentlich. Bilder der Kindheit rasten durch meinen Kopf: Mit welcher Engelsgeduld sie mir, dem nicht gerade sportlichsten aller Kinder, das Schwimmen beigebracht hatte. Wie wir gemeinsam Schneenockerln in Vanillesauce gebastelt hatten. Als sie mit dem Großvater in stundenlanger Detailarbeit die Fenster meiner ersten Wohnung gestrichen hatte. Mit welcher Hingabe jeder meiner Zeitungsartikel von ihr in Dutzenden Archivkartons aufbewahrt wurde. Plötzlich durchschnitten melancholische Geigenklänge die Grabesstille, zwei Reihen weiter schleppten wildlockige Herren mit hohem Goldzahnaufkommen ganze Spanferkel, Obstarrangements und Bierfässer herbei. Eine ganze Zigeuner-Sippe (ja, ich sage Zigeuner und nicht Roma- oder Sinti-Mitbürger, die mit ihrem Political-correctness-Getue können mich) ließ sich auf Klappstühlen am Rand eines frisch aufgeschütteten Grabes nieder. Die Damen einte eine überbordende Liebe zu Leoparden-und Tigermuster. Es wurde gefuttert, gesoffen, geheult, einander in die Arme gefallen, palavert und gesungen, dass sich die Haare der grabbesuchenden Nerzmantelträgerinnen des Hietzinger Friedhofs regelrecht aufstellten. Eine solche Sause hatten auch die Toten hier noch nicht erlebt. „Omschi“, raunte ich dem Grabstein zu, „hier steppt der Bär im Kettenhemd. Du entschuldigst mich kurz.“ Ich hörte sie seufzen. Sie war schon zu Lebzeiten fremden Kulturen gegenüber nicht gerade aufgeschlossen gewesen. Doch mein Gruft-Bier mit den Gypsies konnte ich mir leider auch pinseln. Deren Integrationswillen gegenüber vermeintlichen Hietzinger Tussen, die einen auf Multikulti machen und ihre Abschiedsparty crashen wollten, war so überschaubar wie eine Erdnussschale. Zum Totlachen.