Kolumnen

Das Trost-Terrorkommando – 4. 7. 2020

Es tagt das Scharfgericht. Der arme Nennen-wir-ihn- Michi wurde von seiner Frau verlassen. Unter Zurücklassung zweier wild pubertierender Töchter. Große Empörung, vor allem unter den Frauen im Freundeskreis. In seiner Wehrlosigkeit wird er umsorgt, dass man am liebsten amnesty national mit einem Mann-in-Not-Ruf kontaktieren wollte. Hühnersuppe, So-eine-hat-einen-wie-dich-gar-nicht-verdient-Lamentos, auch viel Geschrei á la „Wie konnte sie nur, dieses herzlose Miststück!” Was für ein Furien-Faktor aber, auch dass eine Mutter ihre Fortpflänze einfach so angelehnt lässt! Bei Männern ist man ja ähnliche Plots gewohnt, das regt niemand aus mangelnder Exotik mehr auf. Zusätzlich bewies sich auch hier wieder einmal, dass gemäß der Wilhelm-Busch-Weisheit doch nichts schöner, aber auch verbindender in Cliquen sein kann als das Beichten anderer Leute Sünden. Perfid-genießerisch wurden im Getuschel über die Causa prima nach der ersten Schockstarre die Frage „Hat sie jemanden?” wie teurer Rotwein im Glas geschwenkt. Knapp gefolgt von der felsensicheren Aussage: „Sie hat doch sicher jemanden.”  Und wenn schon, dachte ich mir. Meistens haben ja solche Parallel-Affären (hier spricht die eigene Erfahrung) wenig andere Funktionen, als damit den Schlüssel zum Notausgang aus unglücklichen oder freudlosen Beziehungen in der Hand zu halten. Ich wurde schon mehrfach verlassen in meiner Liebesbiogafie und behalten Sie jetzt bitte Ihren „Wen wundert’s”-Blick bei sich. Es war oft teuflisch schmerzhaft, aber alles besser als einen Typen an seiner Seite zu haben, der eigentlich ganz woanders sein möchte. Aber möglicherweise noch nicht die Energie mobilisieren konnte, die Comfort-Zone zu verlassen. Das ist die doch wahre Ödnis, als lebender Kompromiss zwischen Vernunft und Leidenschaftslosigkeit dahin zu rotten. B, eine aus dem Trost-Terrorkommando, findet, dass das grausamer Pragmatismus ist. Weil ich’s mir wert bin.